Fünen – aber nicht rund

von Karl und Angelika Müller

Unsere Route

Reisevorbereitung und Anreise

Eigentlich hatten wir für diesen Sommer andere Segelpläne aber kurzfristig entschlossen wir uns zu einem Ostseetörn. Rund Fünen fiel uns spontan ein. Ein älterer „Führer für Sportschiffer“ und der „Revierführer Ostsee“ standen bereits im Bücherregal. Die fehlenden Karten bestellte ich schnell über das Internet. Da es bei den Delius – Sportbootkarten aktuelle Hafenpläne und eine Wegepunktliste kostenlos dazu gibt, waren wir danach mit der nötigen nautischen Literatur versorgt. Nachdem ich „Allegro“ aus dem Wasser geholt hatte, war zunächst erst einmal Basteln angesagt. Für das neu angeschaffte und bereits eingebaute DSC – Funkgerät musste noch die Antenne installiert werden. Das hatte ich bisher noch nicht gemacht, da ich mir ein zusätzliches Mastlegen und –stellen ersparen wollte. Nachdem die Antenne installiert und „Allegro“ urlaubsklar beladen war, fuhren wir am Montag, dem 1. August, vom Sauerland an die Ostsee. Gelting am Ausgang der Flensburger Förde sollte Start- und Zielhafen unseres Törns sein. Leider kann man auf deutschen Autobahnen auch an ganz normalen Werktagen in längere Staus kommen. Außerdem hatten wir unsere Durchschnittsgeschwindigkeit etwas zu hoch eingeschätzt, sodass wir statt wie geplant um 15 Uhr erst gegen 17 Uhr in der Marina Gelting Mole ankamen. Das war aber nicht weiter schlimm. Der wirklich sehr freundliche Hafenmeister krante unser Schiff sofort, sodass wir es noch segelklar machen konnten, bevor wir uns auf unseren Törn mit einem vorzüglichen Essen im Hafenrestaurant einstimmten.

Gelting – Marstal

Wind aus West der Stärke 3 bis 4 sind für heute angesagt und da sollten wir in fünf bis sechs Stunden in Marstall sein. Also erledigen wir nach einem ausgiebigen Frühstück in Ruhe die verbleibenden Restarbeiten: Wasser tanken, für den vergessenen Bootshaken einen neuen kaufen, den Ersatzkanister für den Außenborder an der Tankstelle füllen und die Wegepunkte in den GPS eingeben. Schließlich ist es fast halb zwölf, als wir ablegen. Gleich nach der betonnten Hafeneinfahrt setzten wir die Segel und laufen bei halbem Wind mit flotter Fahrt bis zum Leuchtturm Kalkgrund. Dort heißt es abfallen und platt vor dem Laken nehmen wir Kurs auf die Südostspitze von Aerö. Die Genua fällt ein und der Bootsspeed fällt auf drei Knoten. Also machen wir das Spinnakergeschirr klar. Als der Spi steht, steigt die Fahrt auf vier Knoten. Die anfangs dichte Bewölkung reißt auf, der Wind legt zu und so queren wir mit 6 Knoten den kleinen Belt. Gelegentliche Winddreher bescheren uns die eine oder andere Spi-Halse. Nachdem wir die Spitze gerundet haben, sind es noch drei Meilen bis nach Marstall. Die bilden den krönenden Abschluss dieses schönen Segeltages. Im Lee der Insel steht fast kein Seegang. Der Wind jedoch wird durch die flache Insel kaum gebremst und weht so, dass wir gerade noch unter Spinnaker die Ansteuerung von Marstal anliegen können. So geht es mit Rauschefahrt bei inzwischen strahlendem Sonnenschein bis zur Ansteuerungstonne. Dort bergen wir die Segel und laufen unter Motor durch die enge und abknickende Einfahrt in den Hafen von Marstal ein. Im Hafen sind alle Liegeplätze belegt. An den Stegköpfen haben sich schon Päckchen gebildet. Wir legen als drittes Schiff an einem Päckchen an. Der anschließende Landgang entpuppt sich als reine Kletterpartie. Auf das 32 Fuß lange Nachbarboot gelangen wir noch relativ einfach aber dahinter heißt es, das Deck einer zweistöckigen Motoryacht zu erklimmen, von wo aus wir dann nach einem beherzten Sprung in die Tiefe auf den Steg gelangen. Bis zum Ablegen beschränken wir darum unsere Landgänge auf ein notwendiges Minimum.

Marstal – Faborg

Glücklicherweise sind unsere Nachbarn keine Frühaufsteher und so können wir in Ruhe frühstücken und dann das Schiff seeklar machen. Der morgendliche Wetterbericht prognostiziert Wind der Stärke 3 aus Südwest und auch am Mittwoch soll es weiter aus dieser Richtung wehen. Darum beschließen wir, Fünen im Uhrzeigersinn zu runden. Als Tagesziel bietet sich das rund 30 Meilen entfernt liegende Faborg an. Dazu müssen wir 8 Meilen bis zur Insel Drejö einem betonnten Fahrwasser durch die hier teilweise nur 50 Zentimeter tiefe Dänische Südsee folgen. Danach geht es weiter zur Westspitze der Insel Avernakö. Nördlich davon beginnt dann das 5 Meilen lange Fahrwasser nach Fahrborg. Es sind also reichlich Wegepunkte in den GPS einzugeben. Darum ist es ein kleiner Trost, dass die erste Ansteuerungstonne noch von gestern gespeichert ist. Wir verlassen den Hafen von Marstall unter Motor und folgen dem Fahrwasser, wie mehrere andere Yachten auch. Ich werde unruhig. Irgendwie kommt mir die Gegend unbekannt vor, ich kann mich nicht erinnern, gestern hier lang gefahren zu sein. Meiner Frau geht es genauso. Auch der GPS behauptet hartnäckig, der erste Wegepunkt liege achterlich und nicht voraus. Schnell trage ich die GPS – Position in die Karte ein. Wir sind genau da, wo wir sein müssten. Ein Blick auf den Übersegler bringt des Rätsels Lösung. Nach Marstal führen zwei Fahrwasser, beide sind durch eine Ansteuerungstonne markiert. Auf den Detailkarten ist das nicht zu sehen, da Marstal auf einem Kartenübergang liegt und jede Karte nur ein Fahrwasser und eine Ansteuerungstonne zeigt. Unser erster Wegepunkt im GPS ist also falsch. Den Richtigen können wir jedoch kurz darauf direkt voraus erkennen. Man lernt eben nicht aus. Nachdem sich die Aufregung gelegt hat, ist es ein Segeltag wie aus dem Bilderbuch. Bei strahlendem Sonnenschein gleiten wir fast lautlos durch die Dänische Südsee, vorbei an kleinen unbewohnten Inseln. In der Ferne sehen wir im Flachwasserbereich hunderte von Schwänen bei der Nahrungssuche. In Faborg haben wir Glück und ergattern den letzten Liegeplatz im idyllisch gelegenen Gemeindehafen.

Leider sind schon alle Stromanschlüsse belegt. Damit sind wir schon den zweiten Tag ohne Landstrom. Dank des neuen Solarpanels ist das aber nicht schlimm. Nach dem Festmachen bummeln wir durch das hübsche kleine Städtchen und nutzen die Gelegenheit zum Einkaufen im Supermarkt. Zurück an Bord machen wir uns ans Abendessen. Das müssen wir leider unter Deck einnehmen, da es angefangen hat zu regnen. Der Abendspaziergang im Ölzeug führt uns zur Marina von Faborg. Hier gibt es noch reichlich freie Liegeplätze, man liegt aber im hässlichen Industriebereich der Stadt.

Fabor – Faldsled

Die Wetteränderung bringt auch reichlich Wind. Mit Stärke Sechs soll es heute wehen, Richtung Südwest bis West. Unter diesen Voraussetzungen sollte es möglich sein, bis nach Assens oder sogar Middelfart zu kommen. Der Himmel ist bedeckt und so beginnen wir unsere Tagesetappe mit Ölzeug und Rettungsweste. Schon im Hafen haben wir das erste Reff eingebunden. Die lange Ausfahrt von Faborg können wir ohne zu kreuzen segeln. Bei der angesagten Windrichtung ist das ungewöhnlich und lässt für den weiteren Weg nichts Gutes ahnen. Nachdem wir das Fahrwasser verlassen haben, ändern wir unseren Kurs, um zwischen Lyö und Fünen hindurch in den kleinen Belt einzulaufen. Jetzt zeigt sich, dass der Wind entgegen der Vorhersage eine deutliche nördliche Komponente hat. Das heißt Kreuzkurs. Die Wellen sind nicht sehr hoch aber unangenehm kurz und steil, so dass Allegro immer wieder abgebremst wird und die Logge selten mehr als 4,5 Knoten anzeigt. Gelegentlich fallen so harte Böen ein, dass die Scheuerleiste in Lee unter Wasser gedrückt wird. Kurze Regengüsse tragen auch nicht gerade zu unserer Erheiterung bei. So ist es schon früher Nachmittag, als wir endlich den kleinen Belt erreichen. Hier sind die Wellen zwar höher aber nicht mehr so steil und darum laufen wir jetzt gut fünf Knoten. Aber auch der nächste Wegepunkt ist nur durch Kreuzen zu erreichen. Eine kurze Kalkulation ergibt, dass wir noch mindestens sechs Stunden brauchen, um Assens zu erreichen. Das scheint uns unter den gegebenen Umständen nicht gerade erstrebenswert. Zurück und die so mühsam erkämpften Meilen wieder aufgeben wollen wir auch nicht. Ich laufe daher vor dem Wind ab. Auf dem nun ruhig mit mehr als sieben Knoten dahingleitenden Schiff kann meine Frau währenddessen unter Deck Karte und Hafenhandbuch auf der Suche nach einem geeigneten Ausweichhafen zu rate zieht. Der ist mit Faldsled in der benachbarten Helnäsbucht auch schnell gefunden. Also wieder hoch an den Wind und noch einige Meilen den kleinen Belt aufkreuzen, bis wir abfallen können und mit Rauschefahrt in die Helnäsbucht einlaufen. Bald schon sind die Tonnen auszumachen, die das Fahrwasser durch die seichte Bucht kennzeichnen. Ihnen können wir unter Segeln bis zur Hafeneinfahrt folgen. Der Hafen liegt mitten im Grünen und ist zum Glück nicht überfüllt. Beim Aufklaren des Schiffes müssen wir feststellen, dass unsere betagte Fock dieses Abenteuer nicht gut überstanden hat. Die Naht nahe dem Segelkopf ist ist komplett aufgegangen. Für den Rest des Törns lässt sich das wohl reparieren aber dann ist eine Neuanschaffung fällig. Außerdem hat sich unsere Nationalflagge unbemerkt verabschiedet. Auch die Deck-Rumpf-Verbindung unserer Allegro scheint nicht mehr dicht zu sein, denn im Vorschiff ist das Polster der Backbordkoje am Rand feucht. Die Bilanz dieses Segeltages ist auch ansonsten ernüchternd. Luftlinie sind wir gerade einmal 10 Seemeilen von Faborg entfernt. Auf dem Seeweg sind es 20 Meilen bei direktem Kurs und wir haben über dreißig Meilen zurückgelegt.

Nach dem Aufklaren erkunden wir den idyllisch gelegenen Hafen. Für Herren und Damen gibt es jeweils ein „Häuschen“, die aber verschlossen sind. Ein Schild verrät, dass es den Schlüssel dazu beim Hafenmeister gibt. Der Hafenmeister ist nicht zu sehen und so fragen wir im Hafenkiosk nach. Das erweist sich als schwierig, da die älteren Leute dort weder Deutsch noch Englisch sprechen. Mit Händen und Füßen können wir uns aber verständlich machen und finden dann auch noch den Hafenmeister. Kaum haben wir den Schlüssel erhalten und unser Hafengeld bezahlt, setzt ein Gewitterschauer ein. Bevor wir wieder an Bord sind, sind unsere Hosen vom Knie abwärts völlig nass. Dunkle Regenwolken ziehen übers Land und entladen sich immer wieder in heftigen Güssen. Außerdem ist es empfindlich kalt geworden. So verbringen wir den Rest des Tages weitgehend im Schlafsack und widmen uns der reichlich mitgenommenen Urlaubslektüre. Ich repariere die Fock mit viel Segelklebeband notdürftig, habe aber Zweifel, ob diese Reparatur Windstärke 6 lange widersteht. In einem solchen Fall werden wir dann eben unsere Sturmfock setzen.

1. Hafentag

Am nächsten Morgen sagt der Wetterbericht Schauer und Wind der Stärke 6 aus West voraus. Beim Frühstück sind wir noch entschlossen, nach Assens zu segeln. Als wir das Schiff aber seeklar machen wollen, regnet es in Strömen und der Wind legt mächtig zu. Segeln unter diesen Bedingungen macht keinen Spaß und so beschließen wir einmütig: Hafentag. Eine wirklich gute Entscheidung denn es regnet fast den ganzen Tag. Und das langanhaltend und heftig. Darum können wir das Boot nur zu einem kurzen Spaziergang verlassen und natürlich für die obligatorischen Gänge zu den wirklich sehr gepflegten „Häuschen“. Dies Gänge muss man genau timen oder mit Ölhose und -jacke zurücklegen, damit man sie halbwegs trocken übersteht.

Faldsled – Svendbor

Der Wetterbericht am nächsten Tag sagt einzelne Schauer und Wind aus Nordwest bis West der Stärke 5 mit Schauerböen voraus. Laut Fünftageprognose des dänischen Wetterberichts soll er in den nächsten Tagen immer mehr nach Nord drehen. Für und hieße das noch zwei Tage Kreuzkurs, wenn wir Fünen runden wollen. Natürlich ist das machbar aber viel Spaß macht es auch nicht. Darum geben wir unseren ursprünglichen Plan auf und suchen uns ein neues Ziel, das unter diesen Umständen einfacher zu erreichen ist. Unsere Wahl fällt auf Svendborg, ein hübsches Städtchen, östlich von uns am Sund zwischen Fünen und Tasinge gelegen. Die Helnäs – Bucht können wir hoch am Wind verlassen. Danach geht es mit fast achterlichem Wind nach Svendborg. Eigentlich wieder ein Spinnakerkurs aber aus Sicherheitsgründen wagen wir nicht, den zu setzen. Also kreuzen wir vor dem Wind. Das ist auch gut so denn wir bleiben zwar von Schauern verschont, nicht aber von den Schauerböen. Die beschleunigen Allegro auch ohne Spinnaker mehrmals bis auf acht Knoten. So kommen wir zügig voran und erreichen am frühen Nachmittag den Svendborgsund. Durch den immer enger werdenden Sund führt ein betonntes Fahrwasser, dem auch wir wegen der vielen Untiefen folgen müssen. Man fühlt sich wie auf einem Fluss. Als wir Svendbor fast erreicht haben, erwischt und noch einmal eine Schauerböe. Diese ist besonders heftig und schon schießen wir mit mehr als acht Knoten dahin. Um im Fahrwasser zu bleiben, müssten wir halsen. Das ist aber zu riskant. Darum luven wir an und ich hole schnell das Großsegel herunter. Dabei kommt das Ufer gefährlich schnell näher. Während ich beginne, das Großsegel aufzutuchen, fällt meine Frau wieder ab und halst nur unter der Fock. Damit ist die Gefahr gebannt. Kaum bin ich wieder im Cockpit, lässt der Wind immer mehr nach. Als wir die engste Stelle des Fahrwassers erreicht haben, schiebt uns fast ein Fischkutter, der hier nicht überholen kann. Wie starten den Motor und erreichen kurz darauf Svendborg.

In Svendborg gibt es drei Häfen. Als erstes erreicht man den neuen Yachthafen. Kurz dahinter liegt, direkt am Zentrum der Stadt, der Gemeindehafen. Etwas außerhalb liegt die Svendborg Sund Marina. Der Hafenführer empfiehlt den Gemeindehafen. Als wir den ansteuern, kommen uns bereits etliche Schiffe auf dem Weg zum neuen Yachthafen entgegen. Der Gemeindehafen ist voll. Festmachen kann man nur noch als drittes oder viertes Schiff im Päckchen. Auch wir kehren um, fahren aber zur Svendborg Sund Marina. In einer der wenigen freien Boxen machen wir fest. Man hat einen herrlichen Blick auf den Sund und die Stadt. Die nähere Umgebung ist weniger schön. Zur Marina gehört ein großer Bungalow – Anlage und ein dreistöckiges Gebäude mit Ferienwohnungen. Die Toilettenanlagen sind schmuddelig.

Unsere Lebensmittelvorräte müssen wieder einmal ergänzt werden und heute ist Samstag. Also machen wir uns unverzüglich auf den halbstündigen Fußmarsch zur Stadt. Der Weg ist wirklich empfehlenswert. Er verläuft direkt am Sund. Zunächst als Trampelpfad am Strand, dann auf einer Promenade am Waldrand entlang. Hin und wieder steht in einer Lichtung ein schönes altes Haus. In Svendborg gehen wir sofort Richtung Zentrum. Schon bald sehen wir Leute mit Einkaufstüten und finden kurz darauf auch das zugehörige Kaufhaus. Als wir durch die geöffnete Tür eintreten wollen, stellt sich uns ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in den Weg und sagt etwas auf Dänisch. Als er unsere verständnislosen Blicke sieht, fügt er noch „closed“ hinzu. Auf der Ladentür steht die Erklärung. Am Samstag bis 17.00 Uhr geöffnet und es ist genau 17.03 Uhr. Wer zu spät kommt, den bestraft eben das Leben. Vielleicht werden wir noch wo anders fündig. Wir durchstreifen weiter das Zentrum, aber das ist um diese Zeit wie ausgestorben. Wir rationieren schon in Gedanken unsere Vorräte, als wir an einer Tankstelle vorbeikommen. Die sind doch in Deutschland halbe Supermärkte, ob das hier auch so ist? Es ist und so können wir unsere Vorräte doch noch ergänzen. Als wir zurück in die Marina kommen, wirkt die wie ausgestorben. Als es dunkel wird, kann man es ganz deutlich sehen: Wir sind die Einzigen, die hier an Bord übernachten. Ein merkwürdiges Gefühl.

Svendborg – Lundeborg

Am Sonntagmorgen geht es weiter nach Norden. Wir wollen die Nordspitze von Langeland runden und dann durch den Großen Belt wieder in Richtung Deutschland fahren. Zunächst scheint noch die Sonne und auch der Wind lässt die Logge auf über vier Knoten steigen. Nicht berauschend aber wir haben es auch nicht eilig. Mit uns sind viele andere Yachten unterwegs. Leider lässt der Wind immer mehr nach und der Himmel bewölkt sich. Gemeinsam schleichen wir dahin aber keiner startet den Motor. Als wir uns Lundeborg nähern, entbrennt bei uns an Bord eine Diskussion. Anlegen und morgen weiterfahren oder noch heute Langeland runden. Letzteres hieße aber, mindestens noch 3 Stunden motoren, wenn wir im Hellen ankommen wollen. Der Wind nimmt uns zunächst die Entscheidung ab. Er frischt plötzlich merklich auf und wir machen mehr als 6 Knoten Fahrt. Dafür wird die Brücke über den großen Belt, die ich bisher als Peilmarke benutzt habe, in einem heranziehenden Regenschauer unsichtbar. Kaum haben wir das Steckschott eingesetzt, sitzen wir auch schon im Regen. Aber so schnell, wie es gekommen ist, zieht das Schauer auch wieder ab und mit ihm der Wind. Es ist zu befürchten, dass noch weitere Schauer folgen. Motoren im Regen macht aber keinen Spaß und so fahren wir in den nahegelegenen Hafen von Lundeborg. Wir haben Glück und bekommen den letzten freien Liegeplatz an der Pier.

Nach dem Festmachen die erste Landerkundung. Im Hafen ist reger Betrieb aber der Weg ist weit, da wir erst das neue kreisförmige Hafenbecken runden müssen. Im Hafen gibt es Räucherfisch und Eis. Wir kaufen beides und wollen gerade wieder zum Boot zurück, als ein Gewitterschauer niedergeht. Es blitzt und donnert. Dabei gießt es zunächst wie aus Kübeln. Danach prasseln erbsengroße Hagelkörner auf den Hafen nieder. Wir haben natürlich unser Ölzeug an Bord aber in dem mit einer Plane überdachten Straßencafe finden wir eine trockene Bleibe. Die anfängliche Gelassenheit weicht schnell als uns einfällt, dass wir weder das Steckschott eingesetzt noch die Regenpersenning aufgespannt haben. Als der Hagel nicht mehr ganz so dicht fällt, renne ich daher zum Boot zurück. Dabei muss ich höllisch aufpassen, denn der ganze Steg ist voller Hagel. Unter Deck sieht es ähnlich aus. Kojen und Boden sind mit Hagelkörnern bedeckt, bis ins Vorschiff sind sie geflogen. Zum Glück bin ich früh genug gekommen und kann die ganze Pracht mit Handfeger und Kehrblech nach draußen befördern, bevor sie geschmolzen ist. Selbst die Polster sind weitgehend trocken geblieben, sodass wir die Nacht in Ruhe verbringen können. Im Laufe des Abends gehen noch zwei Schiffe bei uns längsseits. Allegro übersteht das ohne Schaden. Allerdings hängt die Spundwand voller Autoreifen. Die Spuren, die die am Rumpf hinterlassen, muss ich zuhause wegpolieren.

Lundeborg – Spodsbjerg

Für unsere Verhältnisse haben wir bisher relativ wenige Landausflüge gemacht und überlegen am Montagmorgen, ob wir das heute nachholen sollen, denn im Ort kann man Fahrräder mieten. Aber es ist bedeckt und kalt und darum fahren wir weiter. Der Wind ist schwach und schläft teilweise ganz ein und so erreichen wir, teils unter Segeln, teil unter Motor, am frühen Nachmittag Spodsbjerg. Das man sich dem Hafen nähert, kann man schon von Weitem erkennen. Zum einen an den Fähren, die ihn in regelmäßigen Abständen anlaufen, zum anderen an den vielen offenen Anglerbooten, von denen aus weit draußen im Belt auf Dorsch gefischt wird. Spodsbjerg ist nämlich das dänische Zentrum für das Hochseeangeln. Das wird auch im Hafen deutlich. Ganze Stegreihen mit offenen Motorbooten stehen hier zum Verchartern bereit. Ansonsten hat Spodsbjerg wenig zu bieten und darum wollen wir am nächsten Tag weiter nach Bagenkop. Der Wetterbericht am Abend hält dann noch eine Überraschung bereit. Übermorgen soll ein Sturmtief in die Ostsee ziehen und dort mehrere Tage zu verweilen. Erst am Samstag soll eine kurze Wetterberuhigung folgen, danach soll der Wind wieder zunehmen.

Spodsbjerg – Bagenkop

Hoch am Wind segeln wir am Dienstag durch den großen Belt Richtung Bagenkop. Auch heute müssen wir gelegentlich den Motor starten. Beim Segeln gelangen wir zeitweise in den nah am Ufer verlaufenden Tiefwasserweg. Das ist aber kein Problem, da er kaum befahren ist. Als wir uns am Nachmittag der Südspitze von Langeland nähern, nimmt der Wind spürbar zu und wir kommen recht flott voran. Wir überlegen, ob wir direkt weiter nach Gelting segeln sollen, um vor dem Sturmtief wieder in Deutschland zu sein. Bis Mitternacht müsste das unter diesen Bedingungen zu machen sein. Zieht das Tief aber schneller als angegeben, erwischt es uns in dunkler Nacht. Sollten wir dann noch gezwungen sein, abzulaufen, müssten wir die ganze Strecke wieder zurück, da als Windrichtung West bis Nordwest angesagt ist. Einige ruhige Hafentage in Bagenkoop erscheinen uns da als angenehmere Alternative und so runden wir die Südspitze von Langeland und laufen Bagenkop an.

Ausnahmsweise scheint wieder einmal die Sonne und so machen wir nach dem Festmachen noch einen Spaziergang. Eine Besonderheit der Insel Langeland sind die sogenannten Huthügel. Sie bildeten sich während der letzten Eiszeit aus den Ablagerungen des Großen-Belt-Gletschers. Hier im Süden reichen sie bis ans Meer, das sie teilweise weggewaschen hat und dadurch eine Steilküste formte. Ein solcher halber Huthügel ist ganz in der Nähe des Hafens zu finden. Den besteigen wir und genießen mit leichtem Kribbeln in der Magengegend den Blick von der ungesicherten und überhängenden Abbruchkante in die Tiefe. Danach geht es weiter am Strand entlang. Es ist so warm, dass die Ostsee sogar zum Bade lockt.

2. Hafentag

Am nächsten Morgen wird für den gesamten Ostseeraum Sturm- oder Starkwindwarnung gegeben. Der Himmel ist bedeckt. Der Wind hat erheblich zugenommen, aber noch nicht Sturmstärke erreicht. Wir richten uns auf ein bis zwei Hafentage ein. Zwar gehen unsere Lebensmittelvorräte mal wieder zu Ende und Dänenkronen sind auch nicht mehr reichlich vorhanden aber in unmittelbarer Nähe finden wir eine Bank, einen Kaufladen und sogar einen Supermarkt. Damit ist die Versorgung für die nächsten Tage gesichert und wir widmen uns der Unterhaltungsfrage. Beim unbesetzten Hafenmeisterbüro liegen reichlich Prospekte aus, mit deren Hilfe wir ein Programm für zwei Tage zusammenstellen. Am späten Vormittag wandern wir zu einem etwa sieben Kilometer entferntem Noor. Das ist ein als Vogelschutzgebiet ausgewiesener Strandsee, der durch einen schmalen Küstenstreifen von der Ostsee getrennt ist. Der Weg führt immer an der Küste entlang, teilweise durch einen malerischen Wald. Wieder einmal müssen wir einen halben Huthügel erklimmen, die tief hängenden Wolken verhindern aber jede Fernsicht. Unterwegs hat ein leichter Nieselregen eingesetzt, der sich zu einem Landregen entwickelt hat, als wir das Noor erreichen. Das Noor selbst ist weitgehend hinter Bäumen verborgen. Angesichts des Wetters suchen wir nicht lange nach einem Zugang, sondern treten, diesmal über die Straße, den Rückzug an. Eine gemütliche Kaffeestunde an Bord weckt wieder unsere Lebensgeister und so brechen wir am Abend zu einem zweiten Spaziergang auf. Zunächst gehen wir zu einem U – Boot, dass im Hafen an dem Fährterminal festgemacht hat, an dem früher die Kiel – Langelandfähre anlegte. Vermutlich soll es später als Touristenattraktion zu besichtigen sein.

Der Wind hat weiter zugenommen. Die Gischt spritzt meterhoch auf, wenn die Wellen gegen die Mole der Hafeneinfahrt branden. Weiter geht es zu einem zweiten Noor, das hinter dem Hafen liegt. Seine sumpfigen Strandwiesen werden von freilebenden Ponys gepflegt. Auf dem Rückweg beobachten wir noch einen einsamen Surfer, der mit der Brandung kämpft.

3. Hafentag

Heute besichtigen wir das Langeland-Fort. Heute zum größten Teil Museum, wahr es während des kalten Krieges ein stark befestigter Beobachtungsposten, von wo aus die russischen Schiffsbewegungen im Großen Belt beobachtet wurden. Ein Stückchen Weltgeschichte schrieb es, als dort während der Kuba-Krise durch Fotos nachgewiesen werden konnte, dass russische Frachtschiffe mit Raketenteilen auf dem Weg nach Kuba waren. Interessant ist noch der Blick ins Cockpit eines Kampf-Jets. Danach fühlt man sich an Bord einer Shark gleich wie in einem Ballsaal. Am Abend schmieden wir Rückreisepläne. Laut neuestem Wetterbericht soll der Wind am Freitag leicht abnehmen, um am Samstag wieder zuzunehmen. Die Windrichtung ist weiter West bis Nordwest. Auf dem direkten Weg sind es nach Gelting 35 Meilen. Die müssten wir aber aufkreuzen. Das hieße eine Fahrtzeit von 10 bis 12 Stunden unter nicht gerade günstigen Bedingungen. Eine Alternative wäre Heiligenhafen. Das ist nur 25 Meilen entfernt und bei halbem Wind leicht zu erreichen. In Deutschland könnten wir dann auf dem Landweg Auto und Trailer abholen und am Wochenende wieder nach Hause fahren. Also suchen wir uns Wegepunkte für beide Routen und geben sie in den GPS ein.

Bagenkop – Heiligenhafen

Am Freitag hat der Wind zwar abgenommen, es pfeift aber immer noch mit Windstärke 6, in Böen 7, wie wir am Windmesser im Hafenmeisterbüro ablesen können. Wir machen uns reisefertig. Ölzeug und Rettungswesten mit Life-Leinen anlegen, Segel klar zum Setzen. Nach dem Ablegen noch im Hafen Fender und Festmacher verstauen und den Niedergang schließen. Gleich hinter der Hafeneinfahrt setzen wir Segel. Die Sturmfock, weil wir nicht glauben, dass unsere reparierte Fock diesem Wetter lange standhält und das erste Reff im Groß. Als erstes einen Schlag in Richtung Gelting. Lage und Ruderdruck sind in Ordnung aber die Logge zeigt aufgrund des doch erheblichen Seegangs im Schnitt nur 5 Knoten. Wir sind uns einig, keine zehn bis zwölf Stunden Segeln unter diesen Bedingungen. Also wenden wir, um die Südspitze von Langeland wieder zu runden und dann Kurs auf Heiligenhafen zu nehmen. Zunächst geht es noch mühsam voran, da auch dies ein Kurs hoch am Wind ist aber dann können wir abfallen, das Schiff richtet sich auf und mit sieben Knoten fahren wir unserem Ziel entgegen. Im freien Wasser erreichen die Wellen die respekteinflößende Größe von mehr als zwei Metern. Das erfordert sorgfältiges Steuern, weil die quer anlaufenden Wellen immer wieder versuchen, das Schiff vom Kurs ab zu bringen, macht aber auch Spaß. Das Wissen, jederzeit mit dem DSC – Funkgerät Hilfe herbeirufen zu können, vermittelt ein Gefühl der Sicherheit. Gelegentlich bricht eine Welle an der Bordwand und überschüttet uns mit einer Seewasserdusche. Insgesamt aber segeln wir weitgehend trocken. Das Schott zu öffnen und den Fotoapparat an Deck zu holen trauen wir uns jedoch nicht. Ohne Probleme erreichen wir nach schneller Fahrt Heiligenhafen. Dort treffen wir auf zwei Sharkies aus Österreich, die uns erzählen, dass sie wegen des schlechten Wetters dort einen mehrtägigen Zwangsaufenthalt eingelegt haben.

Eigentlich haben wir uns jetzt Ruhe verdient aber wenn wir noch am Wochenende nach Hause fahren wollen, müssen wir das organisieren. In der Marina gibt es keinen Kran, sondern nur in der Werft im Gemeindehafen. Dort kann man uns morgen kranen, aber nur bis 12 Uhr mittags. Wenn wir das wollen, müssen wir noch heute unser Auto und den Trailer nach Heiligenhafen holen. In Heiligenhafen gibt es zwar keine Autovermietung aber für 25 Euro bringt man uns aus Lensahn ein Auto an den Steg. Damit fahren wir ins 150 Kilometer entfernte Gelting. Als wir kurz nach 20 Uhr dort ankommen, ist der Hafenmeister nicht mehr da und wir müssen unseren Trailer aus dem geschlossenen Hafengelände „entführen“. Auf dem Rückweg noch eine unliebsame Überraschung: Etwas läuft vor mir über die Straße. Ich mache eine Vollbremsung. Zum Glück, denn dem Damhirsch folgt sein rund zwanzigköpfiges Rudel. Todmüde fallen wir um Mitternacht in unsere Kojen.

Abreise

Am Samstag klappt alles problemlos. Mast legen, kranen, Mietwagen abgeben und die Rückfahrt. Am späten Nachmittag sind wir wieder im heimischen Sauerland.

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